Echtzeit wird Pflicht – Das Ende des Bankentricks mit Überweisungen

Echtzeitüberweisung wird Pflicht – EU-Verordnung 2024/886 | IVANOV.LAW

Mit der Verordnung (EU) 2024/886 vom 13. März 2024 verpflichtet die Europäische Union alle Zahlungsdienstleister, Echtzeitüberweisungen in Euro anzubieten – rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr und mit einer maximalen Ausführungsdauer von 10 Sekunden (Art. 5a Abs. 3). Spätestens ab dem 9. Oktober 2025 gehören klassische Banklaufzeiten der Vergangenheit an. Besonders relevant: Echtzeitüberweisungen dürfen nicht teurer sein als Standardüberweisungen (Art. 5b Abs. 1).

Was sich mit der neuen EU-Verordnung ändert

Zahlreiche technische Funktionen, die bislang nur auf freiwilliger Basis angeboten wurden, werden nun verbindlich geregelt. Der neue Rechtsrahmen schafft Klarheit für Banken, Unternehmen und Verbraucher.

  • Verfügbarkeit (Art. 5a Abs. 1 UAbs. 2): Zahlungskonten müssen an jedem Kalendertag rund um die Uhr für Echtzeitüberweisungen erreichbar sein.
  • Preisparität (Art. 5b Abs. 1): Die Entgelte für Echtzeitüberweisungen dürfen nicht höher sein als für herkömmliche SEPA-Überweisungen.
  • Pflicht zur Empfängerüberprüfung (Art. 5c Abs. 1): Der Zahler muss vor der Ausführung über eine Abweichung zwischen Name und IBAN des Empfängers informiert werden.
  • Sanktionsprüfung (Art. 5d Abs. 1 i. V. m. Erwägungsgrund 25): Anstelle einzelner Transaktionsprüfungen ist eine tägliche Prüfung der Kundendaten gegen Sanktionslisten ausreichend.
  • Haftungsregelung (Art. 5c Abs. 8): Zahlungsdienstleister haften nicht für fehlgeleitete Überweisungen, wenn sie die vorgeschriebene Empfängerprüfung ordnungsgemäß durchgeführt haben.
  • Stichtage (Art. 5a Abs. 8): Die Entgegennahme von Echtzeitüberweisungen ist ab dem 9. Januar 2025 verpflichtend, die Versendung ab dem 9. Oktober 2025.

Warum das jetzt kommt

Was ist eine Überweisung eigentlich?

Das Guthaben eines Bankkunden stellt rechtlich eine Forderung gegen die Bank auf Auszahlung dar. Eine Überweisung ist keine Geldbewegung im physischen Sinne, sondern eine Abtretung dieser Forderung: Der Zahlende veranlasst seine Bank, die eigene Forderung an die Bank des Empfängers zu übertragen. Diese schreibt dem Empfängerkonto daraufhin eine neue Forderung gegen sich selbst gut. Es handelt sich also um eine Verbuchung interner Forderungen zwischen Banken, nicht um eine unmittelbare Zahlung. Die verwendeten Beträge sind somit abstrakte Rechengrößen – sie repräsentieren Ansprüche, keine physischen Werte.

Aus technischer Sicht wäre es bereits seit Jahrzehnten möglich gewesen, Überweisungen in Echtzeit sowie an Wochenenden und Feiertagen durchzuführen. Die erforderliche IT-Infrastruktur war längst vorhanden. Es fehlten lediglich klare gesetzliche Vorgaben.

Warum war ein politischer Eingriff erforderlich?

Nach Erwägungsgrund (2) der Verordnung war die Nutzung von Echtzeitüberweisungen in der EU bislang unbefriedigend gering – also greift der Gesetzgeber nun ein. Ein häufig geäußerter Verdacht lautet: Banken könnten wirtschaftlich von Verzögerungen profitiert haben, insbesondere durch Zinsgewinne. Die Verordnung äußert sich hierzu nicht ausdrücklich, doch in Erwägungsgrund (7) heißt es, es habe am „Anreiz zu investieren“ gefehlt – ein indirekter Hinweis auf wirtschaftliche Eigeninteressen.

Hypothetisches Rechenbeispiel

Bei einem täglichen Überweisungsvolumen von rund 5 Milliarden Euro und einem Einlagenzinssatz von 4 % ergibt sich ein theoretischer Tageszins von etwa 547.000 Euro, wenn Überweisungen nur einen Tag länger im System verbleiben. Hochgerechnet auf ein Jahr entspräche das – je nach Liquiditätsquote – zwischen 130 und 200 Millionen Euro.

Auch wenn diese Berechnung nur theoretischer Natur ist, zeigt sie, dass Zeitverzögerungen im Zahlungsverkehr bei großen Summen erhebliche Zinsvorteile bringen können. Mit der neuen Verordnung ist damit Schluss: Überweisungen müssen künftig in Echtzeit erfolgen, künstliche Zinsgewinne durch Verzögerung sind ausgeschlossen.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Auch Unternehmen profitieren – wenn sie sich rechtzeitig vorbereiten. Die wichtigsten Vorteile:

  • Sofortiger Zahlungseingang: ideal für Onlineverkäufe oder Vorkassegeschäfte
  • Bessere Liquiditätssteuerung: Echtzeitbuchungen schaffen Planungssicherheit
  • Schnellere Prozesse: Gehaltsläufe, Rückerstattungen und Zahlungsläufe lassen sich effizienter gestalten
  • Weniger Zahlungsausfälle: die psychologische Hürde beim Bezahlen sinkt, insbesondere bei spontanen Käufen

Handlungsbedarf für Unternehmen

  • Prüfen, ob die Hausbank Echtzeitüberweisungen unterstützt
  • ERP- und Buchhaltungssysteme für die Verarbeitung von Echtzeitzahlungen vorbereiten
  • Checkout-Prozesse und E-Commerce-Schnittstellen anpassen

Fazit

Mit der Verordnung (EU) 2024/886 schafft die Europäische Union einen verbindlichen Rahmen für schnellen, sicheren und fairen Zahlungsverkehr. Die Technik war längst vorhanden – jetzt ist sie Gesetz. Was für manche Bank ein stilles Geschäftsmodell war, wird durch klare Regeln ersetzt. Für Unternehmen und Verbraucher ist das eine gute Nachricht: Zahlungen werden planbar, nachvollziehbar und sofort wirksam.

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